Manfred Heller
Nachhaltigkeit 29.01.2024 4 Min.
Erster Umweltbeauftragter im Interview: "Das Unternehmen ist gut aufgestellt!"

+++ Manfred Heller ab 1973 bei der BMW Group Vorreiter in einem deutschen Automobilkonzern +++ Mitbegründer der heutigen Nachhaltigkeitsstrategie +++

Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil der Strategie der BMW Group. Sie ist die Basis für deren künftige Entwicklung und steigert den Wert des Unternehmens. Ein wichtiger Baustein dabei ist die Ökologie, der verantwortungsbewusste Umgang mit natürlichen Ressourcen. Heute arbeiten Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BMW Group an der Einhaltung von Umweltzielen. Kaum einer weiß noch, dass dies vor rund einem halben Jahrhundert mit einer Person begann: Der Biologe Manfred Heller wurde 1973 zum ersten Umweltbeauftragten der BMW AG berufen. Erst 2004 – mit seiner Pensionierung – gab er die Funktion wieder ab. Bis dahin hatte er den Umweltschutz schon derart tief im Unternehmen verankert, dass man ihn durchaus als einen der Begründer der heutigen Nachhaltigkeitsstrategie sehen darf. Vor kurzem stattete er seiner alten Wirkungsstätte einen Besuch ab und beantwortete unsere Fragen.

Kavish Boodhram

Herr Heller, wie war die Anfahrt zu BMW?

Es war ein Fußweg von nur 400 Metern. Ich wohne zwei Querstraßen vom BMW Hochhaus entfernt in Milbertshofen. Ursprünglich bin ich dort hingezogen, um schnell im Werk zu sein, wenn dort etwas passiert war. Na ja – und nach der Pensionierung bin ich halt dort wohnen geblieben. Ich sehe Hochhaus und Werk quasi täglich …

Warum hat man Sie vor rund 50 Jahren zum ersten Umweltbeauftragten der BMW AG gemacht?

Da spielten sicher mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen wurde auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene die Fragen nach Grenzen des Wachstums gestellt.

Das war die berühmte Studie des „Club of Rome“ von 1972.

Ja richtig, so etwas zum Beispiel. Zum anderen gab es am Standort konkrete Belastungen für die Anwohner: etwa durch Emissionen aus der Lackiererei, aber zum Beispiel Anfang der 1970er Jahre auch durch den Baustellenverkehr für die Errichtung des Hochhauses. Der Vorstand sah die Zeit gekommen, dass sich jemand hauptamtlich darum kümmerte.

Wie kam man auf Sie?

Ich habe mich, nach einem Tipp aus dem Kollegenkreis, regulär für die Funktion beworben. Nach dem Studium der Biologie in Hessen, von wo ich stamme, hatte ich bereits wissenschaftlich für das Bundesgesundheitsamt, damals ins West-Berlin, Messungen und Untersuchungen durchgeführt und mir eine gewisse Reputation im noch recht überschaubaren Kollegenkreis erworben.

Kavish Boodhram

Sie haben Biologie studiert, Mikrobiologie – warum haben Sie dieses Studium gewählt?

Mein Vater war auch Biologe, beschäftigte sich allerdings mit Pflanzenschutz- und Düngemitteln in der Landwirtschaft. Das hat mich wohl geprägt. Außerdem war ich in meiner gesamten Schulzeit auf einem Internat. Dort war es üblich, neben dem Unterricht landwirtschaftlich oder handwerklich zu arbeiten, was meine Studienfachentscheidung womöglich zusätzlich beförderte.

Bitte stichwortartig: Was umfasste Ihre Aufgabe als Umweltschutzbeauftragter im Werk München?

Den Aufbau eines Umweltmanagementsystems, beginnend mit Umweltpolitik und Ordnungsrecht über die Implementierung von Leitlinien, Umweltschutz als Führungsaufgabe, proaktive Vermeidung von Umweltbelastungen und Vorsorgepläne für Notfälle. Dazu haben wir erstmal eigene Informationssysteme aufbauen müssen, wie etwa ZEUS (Zentrale Erfassung umweltrelevanter Stoffe), konnten Prozessketten definieren, Werte festlegen und das Ganze schließlich in einen Werkzeugkasten von Umweltmanagement-Tools überführen, die wir weltweit nutzen. Die enge Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeitsarbeit war wichtig, um kurze Wege zu den Nachbarn unserer Werke zu pflegen.

Mal ehrlich, haben Sie die Entscheidung für die Industrie auch mal bereut?

Nein, nie. Ich stand immer zu 100 Prozent hinter dem Unternehmen, da ich auch Autos liebe. Natürlich gab es Herausforderungen und Widerstände zu überwinden. Aber wir haben viel erreicht: Kompetenzen aufgebaut, Prozesse verbindlich etabliert, weltweite Standards eingeführt. Ich bin überzeugt, dass die BMW Group heute immer noch gut auf diese Vorarbeit aufsetzen kann und dafür auch bei kritischen Beobachtern hohe Anerkennung genießt. Meinen Nachfolgern wünsche ich dabei immer eine glückliche Hand.

Sie haben Ihr entsprechendes Fachwissen nicht nur in einem Buch gebündelt, sondern auch in verschiedene Institutionen eingebracht.

Stimmt, ich bin bzw. war Gründungsmitglied und Mitinitiator von econsense – Forum für nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft, Mitinitiator des Bayerischen Umweltpaktes, Vorstandsmitglied des Umweltausschusses des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Vorsitzender des Umweltausschusses der Deutschen Automobilindustrie (VDA) und noch in einer ganzen Reihe weiterer Funktionen aktiv. Grundidee dabei war die Vernetzung des bei BMW erarbeiteten und praktizierten Umweltschutzes mit staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen. Damit konnten wir auch Standards etablieren, nicht zum Nachteil unseres Unternehmens.

Bundespräsident Horst Köhler hat Ihnen für die Vielzahl Ihrer Tätigkeiten 2006 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Ja, eine Ehrung, über die ich mich sehr gefreut habe.

Sind Sie mit der Fortführung des Umweltschutzes im Rahmen der heutigen Nachhaltigkeit zufrieden?

Ja, das bin ich. Natürlich muss man sich die Unterschiede klarmachen. Ich habe mit einem kleinen Team als Umweltverantwortlicher in der Zentralplanung beim damaligen Vorstand Technik und Produktion, Dr. Hans Koch, begonnen. Das Werk Dingolfing wurde gerade eröffnet und wenige Monate danach begann die Energiekrise mit Sonntagsfahrverbot. Doch das Thema Ökologie ist mit dem Unternehmen mitgewachsen, über viele Werke in höchst unterschiedlichen Ländern auf fünf Kontinenten. Heute ist sustainability ein globales Thema, das nicht nur bei der UNO und Regierungen, sondern in allen großen Unternehmen weltweit einen festen Platz hat. Und die BMW Group ist da gut aufgestellt.

Manfred Heller

Was für ein Auto fahren Sie?

In meiner Garage stehen ein BMW 1602, ein BMW C1 und ein BMW 3er Touring. Einen BMW Z1, den ich mir am Tag meiner Berufung zum OFK zugelegt habe, habe ich erst jüngst in gute Hände verkauft.

Wie steht es mit Elektromobilität?

Ich freue mich über die guten Absatzzahlen von E-Autos, will aber nicht verhehlen, dass ich bei dieser Technologie gerade für die benötigten Rohstoffe noch ungelöste Probleme sehe. Zudem muss man das aus Kundensicht sehen: Für 60.000 bis 100.000 Euro erwarte ich einen Allrounder ohne Einschränkungen, was Reichweite und Einsatzmöglichkeiten, Freiheiten und Sicherheit angeht.

Also allen Antriebstechnologien gegenüber aufgeschlossen bleiben?

Absolut, das ist auf jeden Fall die empfehlenswerteste Strategie für diese Zeit und für ein global agierendes Automobilunternehmen.

2004 sind Sie nach mehr als 30 Jahren Tätigkeit für die BMW AG in den Ruhestand gegangen. Weggezogen sind Sie nicht, das wissen wir jetzt. Was machen Sie seitdem?

Im Sommer bin ich oft mit einem BMW Rennrad unterwegs und im Winter laufe ich mit Langlaufskiern in der Skating Technik. Während meiner Berufstätigkeit hatte ich manchmal 24-Stunden-Rufbereitschaft für alle Standorte, davon musste ich mich erstmal etwas erholen. Aber natürlich verfolge ich die aktuelle Entwicklung zur BMW Group in den Medien und halte mich informiert. So ganz lässt einen eine solche Aufgabe halt nicht mehr los.

Herr Heller, vielen Dank für Ihren Besuch und das Gespräch. 

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