Daniela Bohlinger leitet bei der BMW Group das Thema nachhaltiges Design. Wie ein Federstrich im Design den künftigen CO2-Fußabdruck eines Fahrzeugs beeinflusst, über dieses und weitere Themen spricht sie mit Teilnehmern der TEDxMünchen im Future Forum der BMW Welt.
Es gab schon schönere und wärmere Tage als an diesem Sonntagmorgen im November in der BMW Welt in München. Trotzdem sind rund 35 junge Teilnehmer der TEDxMünchen gekommen, um zu diskutieren, was ihre Erwartungen bezüglich Nachhaltigkeit an einen Konzern wie die BMW Group sind. Daniela Bohlinger gibt einen kurzen Impuls zu ihrem Fachgebiet Nachhaltigkeit im Design, das offensichtlich auch ihre Leidenschaft ist. Anschließend stellt sie sich in Workshops und dem gesamten Plenum den Fragen der TEDx-Delegierten.
Daniela Bohlinger, leitet das Thema nachhaltiges Design bei der BMW Group
Daniela, was hast Du Dir von diesem Austausch mit den Teilnehmern der TEDxMünchen heute erwartet?
Mir geht es darum, einerseits unsere Perspektive als internationaler Konzern darzustellen. Viele Dinge, die so einfach lösbar scheinen, sind nämlich bei der Produktentwicklung gar nicht trivial. Aber das ist keine Ausrede, nicht trotzdem die besten Lösungen zu finden, um einen Gleichklang zwischen wirklicher Nachhaltigkeit und einem qualitativ hochwertigen Produkt zu finden. Und natürlich einem großartigen und innovativen Design, für das unsere Produkte meiner Meinung nach stehen. Ich gebe Dir mal ein Beispiel: Unsere Erfahrung zeigt, dass 80 Prozent der tatsächlichen Nachhaltigkeit bei einem so komplexen technischen Produkt, wie einem Auto, bereits beim Design beginnt. Durch einen Federstrich, der eine Form im Innen- oder Außenraum beschreibt, wird bereits festgelegt, wie einfach oder eben kompliziert die Herstellung dieses Teils in der Serienproduktion sein wird. Dafür müssen wir dann die richtigen Materialien finden und Werkzeuge bauen. Ein sehr enger Radius bei einem Kunststoffteil kann beispielsweise dazu führen, dass wir möglicherweise keine recycelten Materialien verwenden können, weil deren Fließgeschwindigkeit anders ist. Das ist natürlich sehr technisch, aber man kann es auch mit Leuten diskutieren, die keine ausgewiesenen Spezialisten auf diesem Gebiet sind. Konflikte zwischen allen Aspekten der Nachhaltigkeit ansprechen, das wollte ich erreichen.
"Wirkliche Nachhaltigkeit", sagst Du. Was soll das bedeuten?
Nachhaltigkeit hat drei Perspektiven: ökonomisch, ökologisch und sozial. Nur einen oder zwei Aspekte zu verfolgen, greift aus BMW Group Sicht zu kurz. Bei BMW i haben wir uns bereits vor über zehn Jahren Gedanken gemacht, wie der Fußabdruck des Fahrzeugs über den gesamten Lebenszyklus hinweg so gering wie möglich sein kann. Also nicht nur während der Nutzungsphase. Das beinhaltet beispielsweise die Nutzung der Batterien über das Ende des Fahrzeugs hinaus in sogenannten Second Life-Anwendungen. Denn auch nach dem Ende des Fahrzeuglebens hat eine BMW i3 Batterie normalerweise noch eine ausreichend hohe Leistungsfähigkeit, um in einer Speicherfarm als Puffer für überschüssige erneuerbare Energie zu dienen. Oder für den Kunden viel angreifbarer: Die Innenverkleidung bei BMW i besteht aus einem Kenaf-Mischgewebe, also einer schnellwachsenden Naturfaser. Dadurch ist es uns gelungen, einerseits das Gewicht um rund ein Drittel zu reduzieren, aber gleichzeitig auch die Umweltbilanz zu verbessern, da deutlich weniger Erdöl basierte Kunststoffe zum Einsatz kommen. Und hier stehen wir gleich vor der nächsten Herausforderung: Den pflanzlichen Rohstoff beziehen wir aus Ländern wie Bangladesch, die keine so hohen Arbeitsstandards wie Deutschland haben. Deswegen arbeiten wir mit den Produzenten vor Ort, um den Erzeugern eben auch ein gutes Auskommen zu sichern. Und nicht zuletzt muss das alles bezahlbar sein, denn sonst ist der beste Ansatz nicht viel wert. Die gleichzeitige Auflösung vieler unterschiedlicher Anforderungen zur selben Zeit, das habe ich mit "wirklicher Nachhaltigkeit" gemeint.
Wie war denn die Resonanz der Teilnehmer der TEDxMünchen in Deinen Gesprächen?
Der Grundtenor war sehr positiv, wir hatten einen guten und aktiven Austausch. Generell ist die Erwartung, dass wir noch viel mehr tun müssen. Und hier stimme ich zu. Mein Ziel habe ich dann erreicht, wenn mein Job bei der BMW Group gar nicht mehr benötigt wird und meine Kollegen alle das Thema für sich besetzten. Da sind wir auf einen guten Weg.
Wie hat sich bei den junge Teilnehmer die Erwartung geäußert, dass noch viel zu tun ist?
Wir haben viel über BMW i gesprochen und was die BMW Group da schon erreicht hat. Das ist beachtlich und sicherlich im Wettbewerb immer noch herausragend. Aber gleichzeitig kommt man natürlich auf den Gedanken, wieso wir beispielsweise Recycling nicht auf alle Produkte so konsequent ausweiten. Oder wieso große Fahrzeuge mit einem konventionellen Antrieb immer noch einen wichtigen Teil unseres Produktportfolios ausmachen. Diese Frage ist natürlich berechtigt. BMW i steht nicht nur für elektrisch, sondern insbesondere auch für innovativ. Wir übertragen also Technologien auch auf unsere anderen Fahrzeuge. Das gilt genau so für einen BMW X7, der ebenso Ziele für den Einsatz von Rezyklaten enthalten muss. Nur wird es dort nicht so extensiv beworben. Unabhängig von der Antriebsart und der Fahrzeugklasse gilt für uns die Maßgabe, dass alle Produkte im Vergleich zu den besten im Wettbewerb gehören. Die Elektromobilität wird sich beispielsweise sehr unterschiedlich entwickeln, weil es ganz stark auf die Infrastruktur in den einzelnen Märkten ankommt. Die BMW Group Strategie nennt das "Power of Choice" - die Kunden haben die Wahl zwischen den für sie besten Antriebsarten, die, wie gesagt, immer den Anspruch haben, die effizienteste im Wettbewerb zu sein. Ein Teilnehmer, der aus Indien stammt, brachte es auf den Punkt: In Indien sei eine Diskussion zu Nachhaltigkeit, wie wir sie aktuell haben, undenkbar, weil es den Menschen zu erst einmal darauf ankommt, wie sie zuverlässig und bezahlbar von A nach B kommen. Das mag zwar erst einmal nicht zufrieden stellen, ist aber eben auch eine Realität, mit der wir uns alle auseinander setzen müssen.
Daniela, Du hast gesagt, "Moderner Luxus ist keine Frage des Alters oder demographischer Faktoren, sondern der Haltung". Kannst Du das bitte ausführen?
Luxus ist per Definition ja das Hinausgehen über das wirklich Notwendige. Deswegen ist die Frage, ob Luxus an sich überhaupt nachhaltig sein kann, mehr als nur eine akademische. Haltung zu zeigen, das macht den Unterschied. Sich bewußt für oder gegen etwas zu entscheiden. Oder auch: Von was mache ich meine Kaufentscheidung in Zukunft abhängig? Hier haben übrigens auch unsere heutigen Teilnehmer zugestimmt. Die technologischen Neuerungen werden von höherpreisigen Produkten ihren Weg in den Massenmarkt finden. Auf das Design übersetzt heißt das beispielsweise: Nicht nur das Erlebnis alleine muß überzeugen. Das Weglassen von Bauteilen im Innenraum wäre natürlich der nachhaltigste Weg, denn dann stellt sich die Frage nach Herkunft der Rohstoffe, dem CO2-Footprint und dem Recycling gar nicht. Dass aus Reduktion allerdings mehr als nur Weglassen wird, sondern ein hochwertiger Raum, das ist Aufgabe des Designs, welches das Produkt dann begehrenswert und luxuriös macht. Diesen Weg zu ebenen und zu ermöglichen, das ist eine weitere Erwartungshaltung an die BMW Group. Und für uns eine weitere Möglichkeit, Haltung zu zeigen.