Seit fünf Jahren ist das „Innovationswerk“ in Garching bei München für die BMW Group aktiv. Ein kleines Team aus Designern, Ingenieuren und Psychologen erforscht Sehnsüchte und Vorlieben der Menschen von heute und morgen. Ziel des Ganzen: das ideale Kundenerlebnis. Wie das entsteht, darüber sprachen wir mit den beiden Vordenkern des Teams, Astrid Thomaser und Knut Mayser.
Astrid, Knut, was genau macht das Innovationswerk?
Knut Mayser: "Unsere Aufgabe ist es, nutzerzentrierte Innovationen für Vorentwicklungsprojekte zu erarbeiten. Das können Innovationen im oder am Fahrzeug sein. Es kann aber auch um Neuerungen außerhalb des Fahrzeugs gehen, zum Beispiel Dienstleistungen und digitale Services."
Astrid Thomaser: "Wir agieren wie eine Innovationsberatung innerhalb des Unternehmens."
Spannend – Ihr seid also hausinterne Zukunftsforscher. Wie ist Euer Team aufgestellt?
Astrid Thomaser: "Unser Kernteam hat die klassische Zusammensetzung eines Design-Thinking-Teams. Meine Kollegin Claire und ich sind Expertinnen für Human-Centered Innovation mit einem besonderen Blick für den Nutzer – man nennt uns gerne auch Menschenversteher. Marc und Stefan sind User Experience Designer und unsere Technologie-Cracks. Sie beschäftigen sich mit der technischen Umsetzbarkeit, um die erkannten Nutzerbedürfnisse zu bedienen. Wie steht es mit dem Business Kontext und der betriebswirtschaftlichen Umsetzung, welche Prozesse und Meilensteine müssen wir berücksichtigen? Welche kulturellen oder organisatorischen Hürden haben wir, um diese Bedürfnisse umzusetzen? Darum kümmern Knut und ich uns. Unsere Kollegin Christina ergänzt das Team mit langjähriger Marktforschungsexpertise und -wissen."
An welchen Themen arbeitet Ihr zur Zeit?
Knut Mayser: "Gerade haben wir ein Projekt zu Genussinnovationen für zukünftige Luxusfahrzeuge gemacht."
Astrid Thomaser: "Darüber hinaus arbeiten wir an verschiedenen Digitalisierungsprojekten und beschäftigen uns mit der Frage, wie Menschen in Zukunft von digitalen Angeboten profitieren."
Große Fragestellungen. Wie geht Ihr vor, um diese zu lösen?
Knut Mayser: "In einem traditionellen Automobilkonzern wird oft zuerst an die Technologie gedacht. Im Innovationswerk gehen wir den umgekehrten Weg: Wir versuchen, die Kundenbedürfnisse zu verstehen, definieren das ideale Kundenerlebnis. Danach überlegen wir, mit welcher Technologie wir daraus ein Produkt machen können."
Astrid Thomaser: "Wir nehmen immer die Outside-In-Perspektive ein, anstelle von Inside–Out. Wir illustrieren Visionen für zukünftige Mobilitätsangebote und zeigen auf, welche Möglichkeiten sich daraus für unsere Produkte ergeben. Unsere Mission ist, für die Zukunft zu begeistern. Wir arbeiten mit Design-Thinking als Methode. Und wir sind kompromisslos visuell. Das heißt, dass wir Bilder und Zitate, die wir gesammelt haben, aus dem Kopf an Wände bringen. Wir machen das Thema sichtbar und greifbar."
Knut Mayser: "Wir starten mit Hypothesen und fragen: Welche Technologien und welches Innovationsinventar haben wir in der Pipeline? Wie sieht der Business Case aus? Wo können wir Inspiration zum Thema sammeln? Wo finden wir Menschen, die in besonderer Weise Genuss empfinden?"
Ein Beispiel?
Astrid Thomaser: "Vom Luxus des Nichts-Tuns kamen wir über das Thema Meditation auf die japanische Kunst des Bogenschießens, in der die Schützen eine besondere Ruhe finden. Deshalb haben wir einen buddhistischen Zen-Bogenschützen ausfindig gemacht und ihn bei sich zu Hause besucht."
Was kann man von einem japanischen Bogenschützen über Genussinnovationen im Auto lernen?
Astrid Thomaser: "Wir versuchen, Muster zu erkennen, was Menschen als Luxus und Genuss wahrnehmen und wo sie es finden. Eines dieser Konzepte haben wir zum Beispiel „My Temple“ genannt. Der kontemplative Raum, in dem man zur Ruhe kommt. Bei dem Luxus-Thema geht es sehr viel um Sinneswahrnehmung. Wir haben zum Thema Duft in Paris geforscht. Zum Thema Sound haben wir die Elbphilharmonie besucht. Das war dann die Basis für unsere Ideenentwicklung."
Klingt nach einem Traumjob. Was muss ich mitbringen, um bei Euch arbeiten zu können?
Astrid Thomaser: "Es braucht viel Geduld, man braucht die Fähigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen, und man muss hartnäckig sein."
Was war das kurioseste Erlebnis bisher?
Astrid Thomaser: "Für ein Serviceprojekt habe ich einen Japaner interviewt, der mit seiner digitalen Ehefrau zusammenlebt. Ihm war durchaus bewusst, wie surreal das ist. Aber für ihn war der Reiz daran, dass er mit dieser Frau so sein kann, wie er wirklich ist. Eine Sehnsucht nach Authentizität also, die in der realen Welt nicht möglich ist."
Ihr arbeitet in einer neuen Arbeitswelt. Was können Kollegen von Euch lernen?
Knut Mayser: "Unsere Aufgabe entwickelt sich mehr und mehr auch dahin, dass wir verschiedene Fachbereiche vernetzen. Und der kleinste gemeinsame Nenner ist der Kunde. Wir wollen den Geist der Kollegen öffnen, indem wir die Aufgabenstellung aus der Kundenperspektive durchdenken. Es geht um Transparenz und Offenheit, statt in Silos zu denken. Wir brauchen künftig noch mehr Start Up-Denken und mehr Mut zum Risiko."
Astrid Thomaser: "Es geht um den “anti-ego approach to innovation“. Wir brauchen in Zukunft weniger Egoismus und müssen lernen, die Mobilitätswelt konsequent aus den Augen unserer Kunden zu gestalten."
Knut Mayser hat Maschinenbau studiert und ein Faible für Autos, Design und Kunden. Seit 27 Jahren arbeitet er bei der BMW Group in verschiedenen Funktionen der Fahrzeugentwicklung, Produkt- und Portfoliostrategie, Marktforschung und Produktmanagement. Seit 2016 leitet er das Innovationswerk und ist für die Business-Aspekte in den Projekten verantwortlich.
Astrid Thomaser ist studierte Designerin und seit 2014 im Innovationswerk. Sie leitet dort strategische Innovationsprojekte u.a für die Luxuswagenklasse und digitale Services. Als Expertin für kundenzentrierte, agile Innovationprozesse mit Fokus Nutzerforschung dienen ihr internationale Erfahrung, holländischer Designoptimismus und kalifornische Can-Do-Attitude, um den kulturellen Wandel bei der BMW Group voranzutreiben.