Städte brauchen und vertragen Brüche.
Wolf D. Prix ist nicht nur der Architekt der BMW Welt, sondern auch einer der bekanntesten Architekten weltweit. Sein Büro Coop Himmelb(l)au realisiert Wohngebäude, Kulturbauten und Firmenzentralen rund um den Globus. Mit der BMW Welt in München setzte er dem „Vierzylinder“ Karl Schwanzers sowie dem BMW Museum eine ausdrucksstarke Großform an die Seite. Im Interview mit dem Architekturpublizisten Alexander Gutzmer erläutert er, warum es eine Architektur braucht, die mutig ist und Zeichen setzt.
Herr Prix, mit der BMW Welt haben Sie ein für München sehr prägnantes architektonisches Statement formuliert, das nun den ikonischen Vierzylinder Karl Schwanzers kongenial ergänzt. Worin liegt für Sie die Rolle ikonischer Bauten in der heutigen Baukultur insgesamt?
Wolf D. Prix: In einem Wort: in der Identifikation. Prägnante, ikonische Bauten verschaffen den Menschen Identifikationsmöglichkeiten – und damit auch ein Gefühl von Heimat. Das gilt für Wohnhäuser ebenso wie für Kultur- oder andere Repräsentationsbauten. Ganze Städte können Sie anhand von deren architektonischen Kernbauwerken beschreiben. Das heißt nicht, dass jedes Gebäude den Status einer Bauikone anstreben muss. Aber ohne solch starke architektonische Statements geht uns etwas verloren. Wobei es nicht nur um Kirchen und Paläste geht, nicht nur um Bauten für Prinzen oder Priester.
Sprechen wir über die Stadträumlichkeit Münchens. Diese wird durch Vierzylinder und BMW Welt stark geprägt. Ist das eigentlich gut?
Prix: Ja, weil beide einen positiven, optimistischen Ausdruck für diese Stadt fanden. Karl Schwanzer war ja in Wien mein Professor für Gebäudelehre. Er und ich haben den Auftrag von BMW als Aufruf an unsere Generation verstanden, eine Architektur zu entwerfen, die nicht nur technisch und ökonomisch funktioniert, sondern die auch einen emotionalen Eindruck davon vermittelt, was Architektur kann. Ein Haus, von oben nach unten gebaut – davon ist der Name Himmelb(l)au nicht weit entfernt.
Häufig wird derart selbstbewussten Einzelbauten vorgeworfen, sie seien autistisch und würden ihren Kontext vernachlässigen. Können sich solch eindrückliche Architekturen auch aufeinander beziehen?
Prix: Das tun sie ja. Die BMW Welt denkt die von Schwanzer aufgemachte Achse mit Hochhaus und der Museumsschale weiter. In einer gewissen Weise sehe ich hier sogar den Namen BMW abstrakt umgesetzt: Die BMW Welt mit ihrem Doppelkegel im B, der Turm im W, dazwischen die Schale als M. Und die Integration geht ja weiter. Natürlich haben wir mit unserer Dachkonstruktion und der Betonung des Daches auch die Olympiadächer mit einbezogen.
In die Zukunft geschaut, glauben Sie also, dass wir auch weiterhin derart ausdruckstarke Singulärgebäude brauchen? Der Zeitgeist scheint ja eher in eine andere Richtung zu gehen –man spricht viel über den Kontext, die soziale Stadt, über das Weiterbauen etc.
Prix: Auf jeden Fall brauchen wir weiterhin eine Architektur, die mutig ist und Zeichen setzt, die nicht banal daherkommt. Zukunft, Bildung, Fortschritt, das sind alles wichtige Ansätze, die ihre architektonische Umsetzung brauchen. Wir müssen signalisieren, dass wir in eine neue Periode gehen.
Was ist denn die Rolle, auch die Verantwortung des Architekten heute?
Prix: Immer noch dieselbe wie vor 100 Jahren: Raum schaffen. Überzeugenden, inspirierenden, lebenswerten Raum schaffen. Das ist unsere Kompetenz, dazu werden Architekten ausgebildet – zumindest an guten Architekturschulen. Dass der Raum funktionieren muss, ist klar, dass er sich an die klimatischen Bedingungen anpassen muss, auch. Aber er braucht auch einen Ausdruck, der die Menschen fasziniert, der sie bindet. Dafür stehen das BMW Hochhaus und die BMW Welt. Diese bindet die Menschen, konzipiert war sie für 800.000 Besucher pro Jahr, heute kommen mehrere Millionen.