CATENA-X
Unternehmen 31.01.2023 6 Min.
Catena X: Innovation durch Kooperation.

Zukunft gelingt gemeinsam. Das kollaborative Daten-Ökosystem Catena-X entstand mit anderen Unternehmen und vernetzt die gesamte automobile Wertschöpfungskette – für noch mehr Nachhaltigkeit.

Als im Frühjahr 2021 das Containerschiff „Ever Given“ im Suezkanal stecken blieb, war das zunächst nicht mehr als ein Meme. In den sozialen Netzwerken wurde sich lustig gemacht über einen winzigen Bagger, der versuchte, den riesigen 400 Meter-Kahn freizulegen. Dabei war die Lage ernst. Das wurde schnell klar. Denn hinter der „Ever Given“ standen hunderte Schiffe mit zigtausenden Containern und Waren im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar im Stau. Und die Güter wurden in Europa schneller knapp, als manch einer vermutet hätte.

Obwohl der Kanal nur sechs Tage blockiert war – mit ihm war es der gesamte Welthandel. Ein einziges Schiff führte der Welt vor Augen, wie fragil Lieferketten heute sind. Seitdem haben die Pandemie und der Krieg in der Ukraine Knappheit zum Normalzustand gemacht – auch für die BMW Group und ihre rund 12.000 Lieferanten.

Mehr Miteinander, weniger Gegeneinander lautet die Antwort des Unternehmens auf den globalen Materialmangel. Diese Antwort hat einen Namen: Catena-X. Ein weitverzweigtes Daten-Ökosystem, das nun ans Netz geht. Die BMW Group will als einer der Impulsgeber gemeinsam mit anderen Unternehmen wie Mercedes Benz AG, Deutsche Telekom AG, SAP SE, Siemens AG und ZF Friedrichshafen AG ein einheitliches und durchgängiges Netzwerk bilden, das alle Hersteller und Zulieferer zusammenbringt.

Schneller, stärker, nachhaltiger: Catena-X soll digitale Basis bilden.

Vom Großkonzern bis zum kleinen mittelständischen Unternehmen: Das Datenökosystem steht allen Akteuren der Automobilindustrie offen. Mit seinem transparenten und kooperativen Gedanken soll die Plattform die Basis für künftige Herausforderungen wie CO2-Reduktion, Lieferkettensicherheit und Kreislaufwirtschaft bilden. Vor allem aber soll Catena-X die Qualität der Fahrzeuge noch weiter verbessern. Denn weniger Rückrufaktionen bedeuten auch weniger Ressourcen und geringere Kosten.

Gemeinsam sind wir stärker – Catena-X lebt von diesem Gedanken. Catena steht lateinisch für Kette, bei der einzelne Glieder ineinandergreifen und fest zusammenhalten müssen. Und X steht für die teilnehmenden Akteure, je mehr sich beteiligen, desto besser.

Der Erfolg der deutschen Automobilindustrie beruht auf einem großen Netzwerk aus einer Vielzahl an Zulieferern. Doch bislang werden Daten in der Regel nur bilateral zwischen einzelnen Partnern ausgetauscht. Jeder nutzt eigene Formate und Systeme, die untereinander nicht kompatibel sind. Catena-X soll den Datenfluss vereinheitlichen und Informationen für alle zugänglich machen. Auf der neutralen, offenen und sicheren Plattform werden die einzelnen Dateninseln auf Basis eines gemeinsamen Standards miteinander verknüpft. So sollen bei allen Beteiligten Prozesse beschleunigt, die Wettbewerbsfähigkeit gesichert und Nachhaltigkeit gefördert werden.

Catena-X basiert auf drei Säulen: Die zentrale institutionelle Basis bildet der Verein Catena-X Automotive Network. Der Verein ist Hüter der Vision. Mit der konkreten Umsetzung des Projektes beschäftigte sich das Entwicklungskonsortium anderthalb Jahre, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimawandel und in Zusammenarbeit mit der europäischen Cloudinitiative Gaia-X. Es schaffte wichtige Meilensteine wie die technischen Voraussetzungen, die Standardisierung und Zertifizierung. Mitte 2022 startete es einen Probebetrieb von Catena-X mit zehn konkreten Anwendungsfällen.

Um das Operative der Plattform kümmert sich eine Betreibergesellschaft Cofinity-X, zu der neben der BMW Group neun weitere Partner aus der automobilen Wertschöpfungskette gehören. Mit Hilfe der Betreibergesellschaft können Hersteller und Zulieferer als Nutzer an Bord kommen und erste Schritte machen, etwa ihren CO2-Fußabdruck erfassen oder die Geschäftspartnerdatenbank nutzen. Teil dieses Netzwerks kann und soll bestmöglich jedes an der Wertschöpfungskette beteiligte Unternehmen werden – vom Technologieentwickler über Rohstofflieferanten bis hin zum Softwareanbieter. Deshalb konzentriert sich die Entwicklung darauf, jedes Unternehmen unabhängig von seiner Größe und Digitalisierung kostengünstig und einfach anzubinden.

Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Zusammenarbeit und Digitalisierung sind elementar, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und Catena-X bildet für alle die nötige Basis, soll den Weg in die Zukunft ebnen.

Catena-X soll reellere CO2-Werte offenlegen und Qualität der Fahrzeuge verbessern.

Daten sind ein Rohstoff, an dem es zwar nicht an Menge mangelt – aber an Struktur. Gleichzeitig kommt es immer wieder zu Lieferproblemen bei der Halbleitertechnik, seit dem Krieg in der Ukraine sind Kabelbäume rar geworden. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie die BMW Group unter erschwerten Bedingungen Fahrzeuge produziert. Mit einer durchgehenden Datenkette von der Rohstoffgewinnung bis hin zum Hersteller wird ein großer Marktplatz entstehen. Hier können einerseits Lieferengpässe frühzeitig erkannt werden, indem Verfügbarkeiten und Lieferketten für Kooperationspartner einfacher abfragbar werden. Andererseits sorgt Catena-X für mehr Schlagkraft bei der Materialbeschaffung. Tun sich alle Hersteller zusammen, können sie sich etwa bei der Beschaffung der raren Chips gegenüber anderer Industriebranchen besser behaupten.

Neben der Logistik erfordert auch der nachhaltige Wandel der Branche mehr Teamarbeit – und keine Scheu davor, sein Wissen zu teilen. So kann beispielsweise die Kreislaufwirtschaft dank eines gemeinsamen Netzwerkes unkomplizierter werden: In welcher Komponente stecken welche Rohstoffe in welcher Menge? Der Datenaustausch über Catena-X schlüsselt das auf und hilft bei der Entscheidung, ob ein Teil recycelt oder aufbereitet werden soll.

Auch beim CO2-Ausstoß kann die Dateninfrastruktur den Weg bereiten: Dank Catena-X soll der CO2-Fußabdruck reeler messbar werden. Bislang werden hierfür Durchschnittswerte herangezogen. Künftig sollen die tatsächlichen Werte über die ganze Wertschöpfungskette hinweg transparent werden. Außerdem sollen Komponenten künftig besser zurückverfolgt werden können – besonders, wenn sie im Fahrzeug sicherheitsrelevant sind. Dabei kann auch die Einhaltung von Umweltschutz- und Menschenrechtsstandards überprüft werden.

70 Prozent aller Projekte, das zeigt eine Umfrage der Boston Consulting Group, scheitern am menschlichen Willen zur Digitalisierung oder an Gesetzen. Zumindest letzteres ist bei Catena-X kein Problem: Die Politik hat die Bedeutung erkannt und das Projekt im Rahmen des Förderprogrammes „Zukunftsinvestitionen in die Fahrzeugindustrie“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 100 Millionen Euro gefördert. Beim Digitalgipfel im Dezember 2022 bezeichnete Ressortchef Robert Habeck Catena-X als „industriepolitisches Leuchtturmprojekt für die Digitalisierung von Lieferketten“.

Die Europäische Union hat mit dem Projekt Gaia-X den Grundstein für eine reibungslose Cloud- und Dateninfrastruktur sowie dazugehörige Wertevorstellungen gelegt. Es ist konkretes, praktisches Beispiel für die seit 2019 laufende Initiative und zeigt, wie Datensouveränität gelebt werden kann. Denn Datensicherheit und DSGVO-Konformität sind zentrale Themen, mit denen sich das Konsortium beschäftigt.

Kooperationswillen und Vertrauen als wichtigste Voraussetzungen für den Erfolg.

Wichtige Meilensteine, die sich die BMW Group gemeinsam mit den anderen Pionierunternehmen gesetzt hat, wurden also bereits erreicht: Das Datenökosystem und die technischen Voraussetzungen sind geschaffen, genau wie wichtige Meilensteine in der Standardisierung und Zertifizierung. Mitte 2022 wurde ein Probebetrieb von Catena-X mit zehn konkreten Anwendungsfällen gestartet. Mit dem neuen Jahr 2023 und Gründung einer Betreibergesellschaft schafft Catena-X den nächsten Meilenstein. Sobald sie live ist können alle Hersteller und Zulieferer an Bord kommen und erste Schritte machen, etwa ihren CO2-Fußabdruck erfassen oder die Geschäftspartnerdatenbank nutzen. Dabei können alle Mitglied des Vereins werden und sich so an der Standardisierung beteiligen. Zugänglich ist Catena-X aber auch für diejenigen, die nicht Teil des Vereins sind.

Ziel ist, Catena-X wachsen zu lassen und international zu etablieren. Denn nur wenn möglichst viele Unternehmen teilnehmen, jeder noch so kleine Zulieferer dafür begeistert werden kann und seine Daten teilt, kann das Netzwerk sein Potenzial voll entfalten. Der Erfolg des Datenökosystems steht und fällt mit der Akzeptanz und Partizipation. Die Basis für ein gigantisches Projekt ist geschaffen, das sich stetig weiter entwickeln wird. Was dafür jeder einzelne mitbringen muss: Willenskraft, Vertrauen und Kooperationsbereitschaft.

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